Juul, Jesper. 2003. „The Game, The Player, The World: Looking for a Heart of Gameness“ In Level Up: Proceedings of the 2003 DiGRA International Conference, herausgegeben von DiGRA. Online: https://dl.digra.org/index.php/dl/article/view/65/65
Keywords: Definition, Theoriegeschichte, Spieltheorie, Klassiker, Übersichtsartikel
1. Worum geht es in dem Text?
Juul versucht zu ergründen, warum Computer besonders geeignete Spielmedien sind. Er vertritt die (nicht unproblematische) Annahme, dass es ein classic game model gibt, das sich seit Tausenden von Jahren nicht verändert hat, und dass dieses Set an Grundeigenschaften des Spiels bestens zu den Grundeigenschaften des Computers passt.
Diese (ebenfalls nicht unproblematische) Sichtweise stützt Juul auf sieben kanonische Spieldefinitionen. Aus diesen Texten destilliert er eine Minimaldefinition des Spiels, wobei er einige Widersprüche in den Ursprungstheorien einebnet.
Als wichtigste Eigenschaft des Spiels stellt Juul die Regelbasiertheit heraus. Ihretwegen seien Spiele eigentlich schon immer geeignet gewesen, auf Computer übertragen zu werden. Computer können Regeln umsetzen und deren Einhaltung überwachen – perfekt, um diese Rolle im Spiel zu übernehmen.
2. Warum sollte ich diesen Text lesen? Wofür ist er hilfreich?
Juuls Text ist an einigen Stellen etwas grob argumentiert und stellt einige steile Behauptungen auf. Dies macht ihn jedoch zu einem typischen Beispiel der damals noch jungen Game Studies. Viele Texte aus dieser Zeit agieren in ähnlicher Weise irgendwo zwischen Mut und Rücksichtslosigkeit, was sie zu guten Gegenständen für Neubetrachtungen macht.
Der Artikel ist aber nicht nur ein anschauliches Beispiel für die Arbeitsweise der frühen Game Studies. Trotz seiner teilweise recht kurzen Argumentationsschlüsse bietet Juul einen praktischen Überblick über die Klassiker der Spieltheorie, die gerade für den Einstieg in die Game Studies sehr hilfreich ist.
Juul wirft auch einige Fragen über die Grenzen des Spiels auf: Ist das Spiel immer von der ‚realen Welt‘ getrennt? Welche Folgen darf ein Spiel haben? Sind Sport und Glücksspiel Spiele? Auch wenn sich diese Diskussionen seit 2003 weiterentwickelt haben, finden sie sich in Juuls Text schön verdichtet wieder.
3. Worauf sollte ich vor/bei der Lektüre achten?
Bei Juuls Text ist grundsätzlich Vorsicht geboten. Die tabellarische Übersicht über Spieltheorien ist sehr hilfreich, aber bei seinen Zusammenfassungen darunter sollte man sich bewusst sein, dass Juul hier Dinge zusammenwirft, die vielleicht nicht ganz so gut zusammenpassen, wie er es darstellt. Dass er seine These, Spiele hätten mehr oder weniger Jahrtausende auf den Computer gewartet, so einfach belegen kann, liegt vor allem daran, dass er viele sehr unterschiedliche Aussagen über Regeln in Spielen pauschal als ‚Spiele sind regelbasiert‘ interpretiert.
Der Artikel eignet sich daher vor allem als Beispiel dafür, dass auch die Spieltheorie immer historisiert werden sollte. Vor dem Hintergrund, dass Juul zur Entstehungszeit damit beschäftigt war, Spieltheorien zu sammeln und die Desiderate der noch neuen Game Studies auszuloten, erfüllt sein Artikel durchaus seinen Zweck.
4. Bezüge zu anderen Texten
Juul erwähnt und vergleicht die Spieltheorieklassiker von Johan Huizinga, Roger Caillois, Bernard Suits, Elliot Avedon und Brian Sutton-Smith, Chris Crawford, David Kelley sowie Katie Salen und Eric Zimmerman.
Für eine umfassendere Übersicht über Spieltheorien vgl. den Eintrag zu Jaakko Stenrosʼ The Game Definition Game: A Review (2017).
Dieser Beitrag wurde verfasst von Nils Bühler.